Frühling


Sanft der Schnee sich dünne macht.

Die Sonne strahlt in grosser Pracht.

Ganz zart das erste Gras erwacht.

Der Winter sagt uns leise Gut Nacht.

Bald erstrahlt das Licht voll Glanz.

Weidenkätzchen fühlen s ganz.

Die Bienen summen lustig rum.

Locken Bären mit Gebrumm.

Der Maulwurf wirft die Erde auf und krabbelt ganz geschwind hinauf.

Tankt frisch Luft nach langer Zeit.

Alles fühlt sich wie befreit.

Jedes Tier sorgt rasch für Nachwuchs, ja auch im Wald der listige Rotfuchs.

Hähne balzen um die Gunst schon im frühsten Morgendunst.

Alle diese Zeichen zeigen uns das viel Leben in den Zweigen ist.

So ist der Beweis erbracht, das der Frühling ist erwacht.

Geniesse auch die schönen Sonnenstunden und zeig auch uns,

wie schön es ist und das du glücklich und zufrieden bist.

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Osterspaziergang


Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick;
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in raue Berge zurück.
Von dorther sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
In Streifen über die grünende Flur;
Aber die Sonne duldet kein Weißes,
Überall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlt's im Revier,
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
Nach der Stadt zurückzusehen.
Aus dem hohlen, finstern Tor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden,
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh! wie behänd sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluss in Breit' und Länge
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und bis zum Sinken überladen
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel;
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet Groß und Klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein!

Johann Wolfgang von Goethe 
aus: Faust I, Vor dem Tor

 

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Im Frühling

Hier lieg' ich auf dem Frühlingshügel:
Die Wolke wird mein Flügel,
Ein Vogel fliegt mir voraus.
Ach, sag' mir, all einzige Liebe,
Wo du bleibst, dass ich bei dir bliebe!
Doch du und die Lüfte, ihr habt kein Haus.

Der Sonnenblume gleich steht mein Gemüte offen,
Sehnend,
Sich dehnend
In Liebe und Hoffen.
Frühling, was bist du gewillt?
Wann werd ich gestillt?

Die Wolke seh ich wandeln und den Fluss,
Es dringt der Sonne goldner Kuss
Mir tief bis ins Geblüt hinein;
Die Augen, wunderbar berauschet,
Tun, als schliefen sie ein,
Nur noch das Ohr dem Ton der Biene lauschet.

Ich denke dies und denke das,
Ich sehne mich, und weiß nicht recht, nach was:
Halb ist es Lust, halb ist es Klage;
Mein Herz, o sage,
Was webst du für Erinnerung
In golden grüner Zweige Dämmerung?
- Alte unnennbare Tage!

Eduard Mörike
(1828, Erstdruck 1832)

Gedenkst Du noch, wenn in der Frühlingsnacht aus unserem Kamerfenster hernieder

wir zum Garten schauten,

wo geheimnisvoll im Dunkel

dufteten Jasmin und Flieder?

Der Sternenhimmel über uns so weit

und du so jung,

unmerklich geht die Zeit.

Wie stille die Luft.

Des regenpfeifers Schrei erscholl

klar herüber von dem Meeresstrande;

und über unser Bäume Wipfel sahen wir

schweigend in die dämmerigen Lande.

Nun wird es wieder Frühling um uns her,

nur eine Heimat haben wir nicht mehr.

 

Nun horch ich oft schlaflos in tiefer Nacht,

ob nicht der Wind zur Rückfahrt möge wehen.

Wer in der Heimat erst sein Haus gebaut,

der sollte nicht mehr in die Fremde gehen!

Nach drüben ist sein Auge stets gewandt,

doch eines blieb:

Wir gehen noch immer Hand in Hand

 

Theodor Storm